Claudia Ebbing

Texte

 

 

Momentaufnahmen, das Aufkeimen einer Erinnerung, die verwischt. Fotos, Gedankenspuren und Gesprächsfetzen werden zu Erzählungen. Während des Malprozesses lege ich neu fest, verbinde und erfinde. Die Zartheit der Tusche unterstreicht die Flüchtingkeit der Wahrnehmungen. Dabei gibt der Horizont Halt.

 

Aufgewachsen im Münsterland nahe der niederländischen Grenze findet sich auch diese Landschaft in allen Bildern wieder. Sie umspielt die entstandenen Szenen auf poetische Weise.

 

 

 

 

Spieglein, aus WG Märchenvariationen

Tusche/Öl auf Leinwand

120 x 160 cm

 

 

 

 

Auf der Suche nach den Bildern hinter den Bildern

 

Ein alter Fensterrahmen mit hölzernen Sprossen. Wo einst die Scheiben waren, hat Claudia Ebbing Bilder montiert: Menschen in Trachten, flüchtige Blicke in die Landschaften, markante Wahrzeichen von Velen und Ramsdorf, dazwischen tauchen Wappen auf. Dort wo der Betrachter erwartet, in die Umgebung schauen zu können, findet er gemalte Bilder. Die Installation „Stadt-Identitäten“ wird zum zentralen Objekt der Ausstellung, in dem sie charakteristische Orte, Menschen und Zeichen zusammenfasst.

 

Die Bilder, die wir sehen, bleiben schemenhaft. Sie scheinen wie im Vorbeifahren gemalt. Die Konturen der Dinge verwischen, sie lösen sich auf. Bäume werden mit wenigen Linien angedeutet. Flüchtig ziehen Vögel als dunkle Schatten vorbei. Was fast immer bleibt, ist die durchgehende Linie des Horizonts, die Ruhe schafft. Wenn in ihren Bildern Menschen auftauchen, wirken diese wie ein Teil der sie umgebenden Landschaft. Sie scheinen fest in ihrer Umgebung verwurzelt. Sie tragen Trachten oder traditionelle Uniformen des Schützenvereins. Claudia Ebbing betont immer wieder diese Details der Kleidung. Die Gesichter der Menschen bleiben hingegen eher undeutlich, sie werden nur schattenhaft angedeutet.

 

Es sind Bilder, die durch ihre sparsamen künstlerischen Mittel wirken. Eine gestisch gesetzte Linie, eine farbige Fläche, die sich zu den Rändern hin auflöst, wenige harmonische Farbtöne, die ihre Bilder geschlossen und stimmig machen. Claudia Ebbing stellt ihre Welt in wenigen Formen an. Diese Bilder wirken wie flüchtige Skizzen, wie Momentaufnahmen oder wie Standfotos aus einem Film.

 

Claudia Ebbings Bilder sind Ergebnisse genauer Beobachtungen. Sie hält mit ihren Arbeiten Augenblicke fest, die sich im nächsten Moment wieder zu verflüchtigen scheinen. Dies wird besonders in der Reihe „Rück-Sicht“ deutlich: ein Blick in den Außenspiegel eines Autos, in dem sich die Umgebung spiegelt. Ein flüchtiger Blick zurück, in dem Moment, wenn man schon fast am Motiv vorbei ist. Ein Innehalten, ein Sich-Erinnern, die Vergangenheit gesehen wie im Spiegel.

 

Claudia Ebbing schafft Bilder des Lebens im ländlichen Raum, abseits der großen Städte, eine ganz eigene Lebenswirklichkeit. Das wird auf den ersten Blick deutlich. Es ist eine vertraute Welt. Es sind romantische Blicke in die nahe Umgebung, ohne in idyllische Postkartenbilder zu verfallen. Es sind Motive, wie sie jeder kennt, wenn er nur genau hinschauen würde. Claudia Ebbing schaut genau hin. Und sie fordern den Betrachter auf, auch selbst genau hinzuschauen.

 

Ihre Arbeiten laden den Betrachter zu Assoziationen ein. Sie lösen Erinnerungen an andere Bilder aus, mit denen sie sich vermischen. Sie erzählen Geschichten, ohne diese in allen Details auszuschmücken. Es bleibt bei flüchtigen Andeutungen.

 

Die Ausstellung „ab- an- aus- ein- sichten“ wird zu einer Auseinandersetzung mit Heimat. Claudia Ebbing begibt sich auf die Suche nach Identität, die sich in Bildern spiegelt. Aber sie schaut dabei auch immer hinter die vorgefundenen Bilder. Sie entdeckt dort eine eigene Welt.

 

Claudia Ebbing schafft mit Malerei, Fotografien, Objekten und Installationen eine Inszenierung, die sich auf unterschiedlichen Ebenen mit Bekanntem auseinandersetzt. Doch sie setzt die bekannten und gewohnten Bilder in neue Gefüge. Die in ungewohnter Zusammenstellung verschiedener Medien reflektierten Geschichten lassen neue Zusammenhänge entstehen – neue Identitäten finden.

 

Dr. Falko Herlemann